Thema des Monats: Jahresrückblick und Ausblick
Rein gaswirtschaftlich war es im Grunde ein fast entspanntes Jahr. Der Markt hat ein neues Gleichgewicht gefunden, das die zunehmende Einbindung in den globalen LNG-Markt widerspiegelt. Risikoprämien wurden im Laufe des Jahres weitgehend ausgepreist, die Kurve wurde immer „flacher“, die Spreads zwischen den Terminprodukten geringer. Dies gilt auch für die Kalenderjahre 24 und 25, wo zum Ende des Jahres die Backwardation in ein Contango wechselte, um Händlersprech zu bemühen.
Der Markt ist strukturell weiter knapp, deshalb sind die Preise auch nicht auf Vorkrisen-Niveau und die Volatilität ist weiter hoch. Zudem gab es Marktphasen mit durchaus irritierenden Preisübertreibungen, zum Beispiel als Reaktion auf mögliche Streiks in australischen LNG-Terminals im August und September. Zudem gilt natürlich „we are not out of the woods“, wie die Engländerin sagt. Der russische Krieg gegen die Ukraine geht weiter, eine hybride Kriegsführung Russlands gegen europäische Länder ist nicht auszuschließen. Die hohen Gaspreise haben zudem zu einem deutlichen Rückgang bei der Nachfrage von Industriekunden geführt, der volkswirtschaftlich natürlich sehr unerwünscht ist.
2024: das Jahr des Wasserstoffs?
Ob 2024 das Jahr des Wasserstoffs wird, werde ich berichten. 2023 war auf jeden Fall das Jahr des Wasserstoff-Kernnetzes. Die Diskussionen um eine staatliche Wasserstoff-Netzgesellschaft, ein anfängliches Gegeneinander der Fernleitungsnetzbetreiber bei ihren Versuchen, dies zu verhindern, und die Einigung zwischen Politik/Bürokratie und Branche auf das Konzept des Kernnetzes gehörten zu den spannenden Themen des Jahres. Noch ist kein Rohr umgewidmet oder neu verlegt und die Frage, ob das Finanzierungsmodell auskömmlich ist, nicht beantwortet. Aber die Euphorie bei den Fernleitungsnetzbetreibern ist relativ hoch. Ob durch das Netz wirklich das „Henne-Ei“-Problem gelöst wird und sich der Wasserstoffmarkt entwickelt, bleibt abzuwarten. CO2 -armer oder CO2 -freier Wasserstoff ist einfach teuer und wird sich nur mit Subventionen oder ordnungsrechtlichen Vorgaben entwickeln. Dazu gab es 2023 erste Schritte, aber im Grunde fehlt weiter der Rahmen. Spannend ist dabei die Frage, ob angesichts der Budget-Probleme die Einführung einer Grüngasquote nächstes Jahr im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) intensiver überlegt wird. Ich kenne Marktteilnehmer, die davon ausgehen. Damit bin ich aber auch beim Ausblick angekommen.
EU-Gas- und Wasserstoffrichtlinie und Verordnung
Am 27. November haben sich die Vertreter von EU-Kommission, des EU-Parlamentes und des Rates auf einen vorläufigen Kompromiss bei der Gas- und Wasserstoffrichtlinie geeinigt (wenn Sie die Zeit genau wissen wollen; um 19:21 CET hat die spanische Ratspräsidentschaft die Einigung verkündet, wie man auf LinkedIn nachlesen kann). Bis zum Schluss stand die Einigung wohl auf der Kippe. Noch am Freitag, dem 24. November, soll unklar gewesen sein, ob sie zustande kommt. Die Einigung auf die Verordnung für den Binnenmarkt für erneuerbare Gase, Erdgas und Wasserstoff erfolgte dann erst einige Tage später am 08. Dezember 2023. Damit geht ein Prozess (fast) zu Ende, der offiziell im Dezember 2021 mit dem Entwurf der EU-Kommission gestartet ist (ener|gate Gasmarkt 01/22). Ganz zu Ende ist der Prozess tatsächlich nicht. Noch fehlt die formale Abstimmung im EU-Parlament und im Rat über die erzielten Kompromisse. Die Abstimmungen werden erst 2024 erfolgen. Deshalb handelt es sich noch um eine vorläufige Einigung.