THEMA DES MONATS: Interview mit Daniel Muthmann
Ein europäischer Wasserstoff-Backbone gilt als eine der Voraussetzungen für den Hochlauf eines Wasserstoffmarktes in Europa. Er soll die möglichen großen Aufkommensquellen in wind- und sonnenreichen Regionen mit den Abnehmern in den Industriezentren verbinden. Mittlerweile arbeiten 31 europäische Fernleitungsnetzbetreiber mit an dem Projekt. Daniel Muthmann hat als Bereichsleiter Unternehmensentwicklung, Politik und Kommunikation bei OGE die Arbeit an dem Backbone vor gut zwei Jahren initiiert. Für ihn sind alle Vorarbeiten abgeschlossen, jetzt sind schnelle Investitionsentscheidungen notwendig. Muthmann ist Ende 2022 zur Berkeley Research Group gewechselt, um als Managing Director für die globale Beratungsgesellschaft das Europageschäft entwickeln. Ich habe mich mit ihm zum Ende seiner Zeit bei OGE über den Stand beim europäischen Wasserstoff-Backbone, aber auch über andere Themen unterhalten.
ener|gate Gasmarkt: Herr Muthmann: Was ist der Status der European-Hydrogen-Backbone-Initiative?
Muthmann: Um die Frage zu beantworten, ist es sinnvoll, zum Startpunkt der Initiative zurückzugehen. Ende 2019 haben alle in Europa über Wasserstoff gesprochen. Aber die Fragen, ob es überhaupt genug gibt, ob der Wasserstoff bezahlbar sein wird und wie er zum Kunden kommt, schienen damals ziemlich offen. Dabei ist es für die Entstehung solcher Wertschöpfungsketten extrem wichtig, dass die verschiedenen Marktakteure Zuversicht bekommen im Hinblick auf Potenzial und Umsetzbarkeit...
EU-Regulierungen des Gasgroßhandelsmarktes
Am 19. beziehungsweise 22. Dezember sind in zwei Verordnungen die EU-Regulierungen des Gasgroßhandelsmarktes (ener|gate Gasmarkt 01/23) verabschiedet worden: Die Verordnung „über mehr Solidarität durch eine bessere Koordinierung der Gasbeschaffung, zuverlässige Preisreferenzwerte und den grenzüberschreitenden Austausch von Gas“ (2022/2576) vom 19. Dezember enthält die Vorgaben für die gemeinsame Gasbeschaffungsplattform und ihre Nutzung sowie die Ermittlung und Veröffentlichung einer LNG-Preisabschätzung sowie eines LNG-Referenzwertes durch ACER. Die Verordnung enthält einige weitere Vorgaben, zum Beispiel zu Maßnahmen, die Börsen zur Begrenzung der Intra-Day-Volatilität ergreifen sollen und zum Aufbau einer Plattform für den Sekundärhandel mit LNG- und Speicherkapazitäten durch die LNG- und Speicherbetreiber (einzeln, oder regional gemeinsam) bis zum 28. Februar 2023...
Gemeinsame Gasbeschaffungsplattform
In der vergangenen Ausgabe hatte ich in den Marktgerüchten über die Ausschreibung des Betriebs der gemeinsamen Gasbeschaffungsplattform geschrieben. Die EU-Kommission hatte aufgrund „extremer Eilbedürftigkeit“ ein Verfahren gewählt, bei dem ein begrenzter Kreis von acht Börsen, Anbieter von Handelssystemen und Plattformbetreibern zur Angebotsabgabe aufgefordert wurde. Für den 15. Januar war die Vergabe geplant. Gegen das Verfahren und die geplante Vergabe hatte die Großhandelsplattform Enmacc am 04. Januar 2023 Beschwerde beim Europäischen Gericht (EuG) eingelegt. Enmacc war zu dem Angebotsverfahren nicht eingeladen worden, ist aber der Meinung, für den Betrieb der Plattform optimal qualifiziert zu sein. Die Kommission hatte sich die einzuladenden Unternehmen von einer Liste für organisierte Marktplätze ausgewählt. Die Liste wird von der europäischen Regulierungsagentur ACER veröffentlicht...