THEMA DES MONATS: Jahresrückblick und Ausblick
Im Grunde ist der Rückblick auf die Höhepunkte des Jahres 2022 ein ziemlich sinnloses Unterfangen. Das ganze Jahr war ein einziger Höhepunkt (besser vermutlich Tiefpunkt). Ich hatte schon bei einem Vortrag Ende März (absurderweise beim European Power Network in der Schweiz) gesagt, in diesem Jahr sei die deutsche Gaswirtschaft dreier Grundwahrheiten verlustig gegangen: Russland ist unter allen Umständen ein verlässlicher Lieferant, Gasversorgungssicherheit ist ohne staatliche Intervention möglich und liberalisierte Märkte sorgen für einen liquiden Handel, Wettbewerb und wettbewerbsfähige Preise.
Ich weiß, Punkt zwei und drei wurden auch in Deutschland immer mal wieder infrage gestellt (mit einem liberalisierten Markt hat die deutsche Gaswirtschaft lange gefremdelt). Und vor allem unsere polnischen Nachbarn haben an diesen Grundüberzeugungen, insbesondere natürlich an Punkt eins, immer gezweifelt (und sind nun durchaus zufrieden, dass in Deutschland die Zweifel geteilt werden). Zu jedem der Punkte im Folgenden der Versuch einiger zusammenfassender Bemerkungen.
Goodbye Russia - Der Ukrainekrieg stellt auch gaswirtschaftlich für Deutschland und Europa eine Zäsur dar. Wobei die Entwicklung der Diskussionen und der Ereignisse im Verlauf des Jahres schon extrem bemerkenswert ist: Nach Ausbruch des Krieges wurde die Möglichkeit eines Boykotts russischen Gases heftig und kontrovers diskutiert...
Gaspreisdeckel im Großhandelsmarkt
Am 19. Dezember haben sich die Mitgliedsstaaten der EU bei einer letzten Sitzung des Rates der Energieminister im Jahr 2022 auf einen Deckel für den börsennotierten (ICE Endex) Frontmonatspreis geeinigt. Offiziell handelt es sich um einen temporären „Marktkorrekturmechanismus“. Deckel für den Frontmonatspreis ist die sehr verkürzte Version. Wie wirkt der Mechanismus? Wenn der Month-Ahead-Preis an der Energiebörse ICE Endex an drei Werktagen höher als 180 Euro/MWh oder 35,00 Euro/MWh über einem „Referenzpreis“ liegt, sollen regulierte Handelsplätze (Energiebörsen) für alle Produkte bis zum Ende der Laufzeit des Frontjahres keine Transaktionen mehr ausführen zu einem Preis höher als dem Referenzpreis plus 35 Euro/MWh. Der Mechanismus soll mindestens 20 Tage in Kraft sein...
BNetzA-Warnindikatoren
Die BNetzA veröffentlicht schon seit Monaten Berichte und Daten zur jeweils aktuellen Lage der Gasversorgung. Seit Ende November hat sie diese Daten zu fünf Indikatoren verdichtet, die der allgemeinen Öffentlichkeit zeigen sollen, wie nah oder wie fern Deutschland noch von der Notfallstufe entfernt ist. Für jeden der Indikatoren gibt es drei Zustände, das naheliegende Ampelsystem wurde aber verworfen. Stattdessen heißen diese stabil, angespannt oder kritisch. Es gibt aber keinerlei Automatismus zwischen dem Zustand der Indikatoren und einem Ausrufen der Notfallstufe...