THEMA DES MONATS Treuhandverwaltung für Gazprom Germania
Im Folgenden wird es um das vorerst letzte Kapitel der deutsch-russischen Gasbeziehungen gehen. Ein solches Kapitel hätte sich wohl kein Marktteilnehmer in seinen kühnsten Träumen oder auch Alpträumen vorstellen können. Um einen Überblick bei den Ereignissen von Ende März Anfang April rund um Gazprom Germania (GPG) zu behalten, ist es meines Erachtens sinnvoll erst einmal die Chronologie darzustellen: 25. März: Gazprom Germania überträgt die Anteile an der GPG-Gruppe an Gazprom Export Business Services. Das Unternehmen gehört zu 100 Prozent Gazprom Export, gegründet wurde es wohl im Herbst letzten Jahres. Geschäftsführer ist ein für die deutsche Gaswirtschaft alter Bekannter: Gennady Ryndin. Er war bis 2017 Finanzgeschäftsführer bei Wingas und ist seitdem bei Gazprom Export stellvertretender Generaldirektor für Wirtschaft und Finanzen. Bei Wingas, so erzählt man es sich, hatte er einen sehr guten Ruf. Bis 2017 haben deutsche und russische Geschäftsführer sehr kooperativ miteinander gearbeitet.
31. März: Gazprom Export überträgt alle Stimmrechte und einen Anteil von 0,1 Prozent an Gazprom Export Business Services an die Joint Stock Company Palmary. Zu Palmary steht im Editorial mehr. Die restlichen Anteile an Gazprom Export Business Services übernimmt die Gesellschaft selbst...
Novelle des Energiesicherungsgesetzes (EnSiG) und des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG)
Der Referentenentwurf für eine Novelle des Energiesicherungsgesetzes (EnSiG) war für April angekündigt. Er wurde am 12. April fertiggestellt. Gegenstand sollten die rechtlichen Grundlagen für die neue Solidaritäts- oder Sicherheitsplattform sein, über die unter anderem Gaslieferungen an Nachbarstaaten im Rahmen der europäischen Solidaritätsregeln abgewickelt werden sollen (ener|gate Gasmarkt 03/22). Diese Regeln – die Plattform wird im Gesetz schlicht als „digitale Plattform“ bezeichnet – sind auch Teil der Novelle. Aber nach den Turbulenzen der letzten Wochen mit dem permanenten Risiko eines Stopps russischer Gaslieferungen, einer Insolvenz von Handelsunternehmen und der Treuhandverwaltung für Gazprom Germania enthält der Entwurf sehr viel weitgehendere und schärfere Regelungen für Krisenfälle.
Unternehmen, die in Deutschland kritische Infrastruktur im Energiesektor betreiben, können unter Treuhandverwaltung gestellt werden, sollte die konkrete Gefahr bestehen, dass die Unternehmen ihre Aufgaben nicht erfüllen. Dies gilt nur für Unternehmen, die keinen deutschen Eigentümer oder einen Eigentümer aus einem EU-Mitgliedstaat haben. Die treuhänderische Verwaltung gilt für sechs Monate und kann um jeweils sechs Monate verlängert werden, wenn weiter die Gefahr besteht, dass das Unternehmen seine Aufgaben nicht erfüllt...
Frühwarnstufe des Notfallplans Gas
Am 30. März rief das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) die Frühwarnstufe als erste Stufe des Notfallplans Gas aus. Auslöser war die Forderung Russlands Ende März, dass Gaslieferungen in Zukunft nur noch in Rubel bezahlt werden sollen. Andernfalls sollten die Gaslieferungen eingestellt werden. Anfangs war unklar, wann und wie das neue Zahlungssystem umgesetzt werden soll. Deshalb die sofortige Reaktion des BMWK.
Im Verlauf des Aprils wurden die Modalitäten allmählich bekannt. Die Importgesellschaften sollen bei der Gazprom-Bank zwei Konten eröffnen, ein Konto für Euro oder USD und ein Rubel-Konto. Die Unternehmen zahlen auf das Euro- oder USD-Konto ein. Die Gazprom-Bank tauscht die Währungen dann in Rubel bei der russischen Zentralbank und überträgt die Rubel auf das Rubelkonto des Importeurs und kann diese Rubel dann an Gazprom Export auszahlen. Technisch funktioniert dieses Verfahren wohl, da die Gazprombank von Sanktionen gegen die Nutzung des SWIFT-Systems durch russische Banken ausgenommen ist. Unklar ist, ob das System dennoch ein Bruch von Sanktionen darstellt. Die EU-Kommission hatte eine entsprechende Warnung veröffentlicht, diese Ende April aber wieder relativiert. Für die Bezahlung der Aprillieferungen westeuropäischer Importeure, die um den 20. Mai fällig werden, soll das System erstmals angewandt werden. Dann wird man sehen, ob eine Anwendung möglich ist, die sowohl die russischen Anforderungen erfüllt als auch das EU-Sanktionsregime beachtet. Schon am 26. April (pünktlich zum Redaktionsschluss) wurde um 17:00 bekannt, dass Gazprom Export die Lieferungen nach Polen und Bulgarien eingestellt hat, weil die Importgesellschaften der Länder sich geweigert haben, in Rubel zu zahlen...