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Titel der Ausgabe:

Der Ukraine-Krieg und der Gashandel

Erscheinungsdatum:
04.04.2022
In dieser Ausgabe:

Der März war ein völlig verrückter und trauriger Monat. In dem am 24. Februar begonnenen Krieg Russlands gegen die Ukraine steigerte sich die russische Brutalität und Aggressivität, parallel dazu intensivierten sich Europas Diskussionen über weitere Sanktionen. Die Frage, eines Embargos russischen Gases und seiner Folgen rückte stark in den Vordergrund. Vor allem die deutsche Bundesregierung wehrt sich gegen ein solches Embargo, dessen ökonomische Folgen verheerend sein könnten. Unterhalb der Schwelle eines Embargos konzentrieren sich die Überlegungen auf die Fragen, ob und wie schnell sich die Abhängigkeit von russischem Erdgas reduzieren lässt, und was dafür zu tun ist. Zudem führt der Ukrainekrieg zu unglaublichen Preisbewegungen und massiven Verwerfungen am Gasmarkt. Diese Verwerfungen sind stärker als diejenigen, die durch die Preisturbulenzen im vierten Quartal des vergangenen Jahres ausgelöst wurden. Das Absurde: die aktuelle physische Angebotssituation bot überhaupt keinen Anlass zu den Kapriolen, sie war sehr stabil. Aber die Angst, dies könne nicht so bleiben, ist bei vielen Marktteilnehmern groß.

Ich habe versucht, die Berichterstattung abzuschichten. Das Thema des Monats beschäftigt sich mit den Preisbewegungen, den Konsequenzen für den Markt und mit der Frage, der weiteren Folgen eines Embargos. 

Die Markteingriffe in den Bereichen Speicher und LNG-Markt, mit denen eine Stabilisierung der Märkte und eine Sicherung der Versorgung im kommenden Winter erreicht werden soll, finden sich in den Rubriken Rahmenbedingungen und Transport.

Natürlich bestimmte der Krieg und seine Folgen für die Energiewirtschaft fast alle Gespräche, die ich im März geführt habe, und die Vorträge, die ich gehalten habe. Ein Manager eines Energieunternehmens beschrieb die Situation wie folgt: Schon seit dem Herbst 2021 haben wir eine Energiepreiskrise, aktuell droht eine Versorgungskrise und dann eine Versorgerkrise. Ich hatte in der letzten Ausgabe schon geschrieben, dass sich der Gas-„Markt“ als Folge dieser Entwicklung komplett verändern kann. Sehr deutliche Verschiebungen von Markt zu Staat werden vor allem in den Vorschlägen der EU-Kommission sichtbar

Dieses Heft war wieder viel „work in progress“, weil die aktuelle Krisensituation permanente Veränderungen mit sich bringt. Bei Abschluss des Manuskriptes will ich nicht ausschließen, dass kein russisches Gas mehr fließt, wenn Sie dieses Heft in Händen halten.

THEMA DES MONATS Der Ukraine-Krieg und der Gashandel

Für den Gashandel und -vertrieb war es ein dramatischer März, geprägt von der Angst, dass die russischen Gasflüsse zum Erliegen kommen und/oder der Handel durch den Ausfall großer Handelsunternehmen komplett kollabiert. Das Ergebnis war ein extremer Preisanstieg sowie eine unglaubliche Intra-Day-Volatilität vor allem in den ersten zehn Handelstagen im März. Die Preisspitze von 350,00 Euro/MWh für den Day Ahead am 7. März stand in fast jeder Tageszeitung. Sie wurde morgens um 10:00 Uhr erreicht. Bis zum Settlement war der Preis am THE VHP an dem Tag wieder auf rund 220 Euro/MWh gefallen.

1.1 Gasangebot: Alles ganz „normal“

Das Absurde an der Situation: Fundamental war im März das Angebot deutlich besser als vor dem Beginn des Ukrainekrieges, da die Gasflüsse aus Russland stiegen. Selbst über Mallnow floss an einigen Tagen wieder Gas von Ost nach West (Abbildung 1). Ursache waren die gestiegenen Nominierungen von Kunden, die Langfristverträge haben. Nach allem, was man weiß, sind die Verträge in der Regel Month Ahead indexiert. Damit war der Bezug im Rahmen der Verträge im März billiger als die Beschaffung an den Spotmärkten. In der zweiten Hälfte des Monats sanken die Gasflüsse aus Russland wieder, aber auch dies wohl allein aufgrund geänderter Nominierungen. Bisher ist eine Beschränkung der Lieferungen durch die russische Seite nicht zu erkennen. Allerdings führte die Ankündigung des russischen Präsidenten Vladimir Putin am 23. März, ab Ende März nur noch Zahlungen in Rubel für Gaslieferungen zu akzeptieren, zu erheblicher Unruhe. Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) bezeichnete dies als klaren Vertragsbruch, da in den Lieferverträgen eine Zahlung in USD oder Euro vereinbart ist. Die Konsequenzen der Ankündigung waren bei Redaktionsschluss noch nicht bekannt...

Gesetz zur "Einführung von Füllstandsvorgaben für Gasspeicheranlagen"

Der erste Gesetzentwurf: Die Diskussion um ein Gesetz „zur Einführung von Füllstandsvorgaben für Gasspeicheranlagen“ hat im März hohe Dynamik bekommen. Kein Wunder, der Zeitdruck war hoch, das Gesetz soll zum 01. Mai in Kraft treten. Formal werden die Regelungen als Teil 3a mit den §§ 35a bis 35e in das Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) eingefügt.

In der vergangenen Ausgabe hatte ich die Berichterstattung in letzter Minute angepasst, da am 28. Februar ein zweiseitiges Eckpunktepapier zu den gesetzlichen Regelungen veröffentlicht worden war. Vorher kochte nur die Gerüchteküche zu den zu erwartenden Regelungen. Schon am 01. März kursierte dann ein Entwurf als „Formulierungshilfe“ für einen Antrag der Fraktionen der SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP für das Gesetz. Auch dies ist eine Besonderheit: Damit es schneller geht, sollten die Fraktionen den vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) erarbeiteten Entwurf im Bundestag einbringen (das erfolgte dann auch am 17. März, dazu später mehr). Einen Tag nachdem dieser Entwurf kursierte, hatte ich die ersten entsetzten Speichernutzer am Telefon, die mir klarmachten, dass dieser Entwurf das Ende der marktbasierten Speichernutzung bedeute...

EU-Vorschläge für eine bezahlbare, sichere und nachhaltige Energie für Europa

Im Grunde tauchen aus EU-Perspektive in diesem Abschnitt Themen wieder auf, die ich schon im Thema des Monats und dem Abschnitt 2.1 behandelt habe. Um aber diese Teile nicht mit noch mehr Themen zu beladen, habe ich mich entschieden, die EU-Perspektive in diesem Abschnitt zusammenzufassen.

REPowerEU

Über den Entwurf der Mitteilung der EU-Kommission an das EU-Parlament und den EU-Ministerrat zu Maßnahmen für eine bezahlbare, sichere und nachhaltige Energieversorgung (REPowerEU) habe ich schon in der vergangenen Ausgabe berichtet. In der finalen Fassung hat sich das Papier etwas geändert. Zentral ist eine Tabelle, die darstellt, mit welchen Maßnahmen sich schon 2022 russisches Erdgas zu zwei Dritteln (Abbildung 6) und bis 2030 komplett ersetzen lässt. Die Maßnahmen und ihre Wirkung erscheinen sehr ambitioniert. Zum LNG-Import steht in dem Papier lediglich: „Die EU könnte jährlich 50 Milliarden Kubikmeter mehr LNG (zum Beispiel aus Katar, den USA, Ägypten oder Westafrika) einführen...