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Titel der Ausgabe:

Taxonomie & TEN-E

Erscheinungsdatum:
07.02.2022
In dieser Ausgabe:

Ich hatte Sie im letzten Editorial mit ziemlich düsteren Betrachtungen zu Gaspreisen, Marktverwerfungen und Speicherfüllständen auf das neue Jahr eingestimmt. Leider kommt alles eher noch schlimmer, als es sich kurz vor Weihnachten abzeichnete. Die Handelspreise für Gas gaben dann zwar deutlich nach, aber mittlerweile nähern sie sich wieder der 100-Euro/MWh-Marke. Und die Versorgungssicherheitssituation ist nicht besser geworden. Die Speicherfüllstände sind im Januar deutlich gesunken. Wenn der Februar und/oder März kalt werden, kann es zumindest lokal zu Problemen kommen. Dazu kommt der mögliche Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine. Jede Tageszeitung spekuliert mittlerweile, ob dies zu einer vollständigen Unterbrechung der russischen Gasversorgung führen kann, und wie dann die Versorgung Deutschlands noch sichergestellt ist (gar nicht!).

Beeindruckend finde ich schon, wie klar sich der neue Wirtschaftsminister Robert Habeck als Lehre aus dieser Situation für eine Speicherregulierung ausspricht (da das Ganze noch wenig konkret öffentlich diskutiert wird, berichte ich darüber in der Gerüchteküche). Der Grund dürfte vor allem die Sorge sein, dass die Preisturbulenzen dazu führen, dass Strom aus Erdgas sehr teuer wird und Kohlekraftwerke in der Merit Order vor Gas bleiben. Für Habecks Klimaschutzambitionen wäre dies kein gutes Szenario.

Apropos Habeck und der Koalitionsvertrag: In einem Punkt habe ich vermutlich die Brisanz von Regelungen aus dem Koalitionsvertrag für die Gaswirtschaft unterschätzt. Im Vertrag steht - das habe ich im Dezember ganz richtig berichtet - ab 2025 soll jede neu eingebaute Heizung zu 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden. Das schließt Gas nicht aus, aber es ist fraglich, ob schon 2025 in großem Umfang erneuerbare Gase oder Biomethan zur Verfügung stehen. Und „jede neue Heizung“ bedeutet, auch jede neue Heizung im Wohnungsbestand und nicht nur im Neubau! Dies hat das Wirtschaftsministerium kürzlich auf Anfrage eines Abgeordneten noch einmal klargestellt. 2020 wurden über 600.000 neue Gasheizungen eingebaut. Das Gebäudeenergiegesetz (GEG) soll 2022 novelliert werden und entsprechende Vorgaben für neue Heizungen enthalten. Es wird sehr spannend sein, wie diese konkret aussehen werden. Ein Vorschlag soll im „Oster“/Sommer“-Paket enthalten sein. Ein bisschen mehr zu den Paketen im Heft.

THEMA DES MONATS Taxonomie & TEN-E

Im ener|gate Gasmarkt 05/21 hatte ich ausführlich über die zukünftige Rolle von Erdgas im Rahmen einer Finanzierung nachhaltiger Infrastrukturprojekte (TEN-E) und der Klassifizierung nachhaltiger Aktivitäten im Rahmen der sogenannten Taxonomie berichtet. Die Diskussion um die Einbeziehung von Erdgas in die Taxonomie wurde in Deutschland hitzig, nachdem die EU-Kommission am 31. Dezember ihren Vorschlag dazu vorgelegt hat. Darüber wird im Folgenden zu berichten sein. Aber auch bei den TEN-E-Projekten gibt es seit Dezember einen neuen Stand, der nicht vergessen werden soll. Aber das ist das deutlich kleinere Thema.

1.1 Taxonomie

Die Heftigkeit der Diskussion über die Frage einer Einstufung der Stromerzeugung aus Erdgas - und aus Kernenergie – als nachhaltig nach Veröffentlichung des Kommissionsvorschlags sollte im Grunde angesichts der Vorgeschichte nicht verwundern. Schon im Frühjahr wurde darüber intensiv gestritten und verschiedene Entwürfe wurden diskutiert. Damals wurde die Entscheidung vertagt, weil die Einschätzungen zur Nachhaltigkeit von Erdgas – und auch Atomenergie - bei den Mitgliedstaaten sehr unterschiedlich waren. Im Herbst intensivierte sich die Diskussion dank Wiederaufnahme des Themas und exakt zum Jahresende hatte die EU-Kommission ihre finalen Vorschläge veröffentlicht...

Haushaltskundensektor

Die Verwerfungen im Haushaltskundensegment verstärken sich aktuell eher noch. Beim Handelsblatt-Energiegipfel im Januar in Berlin war der Markt oder Wettbewerb im Haushaltskundensegment ein zentrales Thema. Im Fokus stehen zwei Aspekte: Geschäftsmodelle von „Discount-Anbietern“ & Gesplittete Grundversorgungstarife der örtlichen Grundversorger. Bezüglich der „Geschäftsmodelle“ gibt es heftige Kritik an den Modellen, bei denen Unternehmen mit kurzfristigen Beschaffungsstrategien Haushaltskunden beliefern, mit denen sie Verträge in der Regel für ein Jahr abschließen. Anbieter setzen dabei auf fallende Preise, um aus Short-Positionen Margen zu generieren. Zudem wird diesen Unternehmen vorgeworfen, Einnahmen von Kunden für spekulative Geschäfte einzusetzen. Solche Anbieter haben in der aktuellen Marktsituation massive Probleme, Insolvenzen gab es bereits einige und wird es vermutlich auch noch geben. Leonard Birnbaum, der E.ON-Vorstandsvorsitzende, sagte beim Handelsblatt-Energiegipfel sehr pointiert: „Eine Reihe von Marktteilnehmern hätte es nie geben dürfen.“...

Solidaritätsplattform

Das Ministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) und die Bundesnetzagentur (BNetzA) als „Bundeslastverteiler“ (verteilt die im Krisenfall noch verfügbaren Gas- und Strommengen gemäß den Notfallplänen) arbeiten gemeinsam mit THE an einem Vorschlag für eine Solidaritätsplattform. Diese von THE betriebene Plattform soll eine effiziente Bereitstellung von Gasmengen im Krisenfall ermöglichen. In einem dreiseitigen Eckpunktepapier vom 17. Dezember wurden die Grundzüge des Konzeptes zur Konsultation gestellt. Ausgangsbasis für die Plattformidee sind die Regelungen in der europäischen Verordnung zur Gasversorgungssicherheit (SoS-Verordnung).

Mitgliedstaaten sollen ihren Nachbarn mit Gaslieferungen aushelfen, wenn diese Staaten trotz eines Einsatzes von marktbasierten und nicht-marktbasierten nationalen Maßnahmen zur Sicherung der Gasversorgung ihre geschützten Kunden (in der Regel alle SLP-Abnahmestellen plus wesentliche soziale Einrichtungen) nicht mehr beliefern können. Marktbasiert heißt immer freiwillige Bereitstellung von Mengen gegen ein Entgelt. In der Regel sind dies Industriekunden, die ihre Abnahme reduzieren oder stoppen. Nicht markbasiert sind dagegen erzwungene Abschaltungen von Industriekunden. Wenn ein Staat solche solidarischen Lieferungen in Anspruch nimmt, soll der Staat, bei dem die Anfrage erfolgt - wenn notwendig - zuerst marktbasiert und wenn dies nicht reicht, nicht-marktbasierte Möglichkeiten des Zugriffs auf Gasmengen nutzen, um auszuhelfen...